Freitag, 12. September 2014

Durch diese hohle Gasse...

...muss ich gehen, wenn ich mich morgens auf den Weg ins Großraumlabor oder zur Uni mache.
Nein, eigentlich sollte es fahren heißen, denn ich habe allen Mut zusammengenommen und mich als Radfahrer ins Getümmel gestürzt. Wie es einem Radfahrer im Verkehr von Hanoi ergeht, davon später mal. Heute geht es um die Gasse, die vietnamnesischer nicht sein kann. Sehr genau 2 m breit und auf einer Länge von ca. 500 m ein Geschäft neben dem anderen - nicht zu verwechseln mit den aus Mitteleuropa bekannten Geschäften. Meist eine offene Tür, der Raum dahinter ist Lebensmittelladen,
Fleischerei (meist ein Küchentisch vor der Tür), Mopedwerkstatt, Friseur, Spielhölle, Garküche, Apotheke oder Undefinierbares.




Das Faszinierende: In meinem Appartement lebt es sich auf Weltniveau (hätte man früher im Osten gesagt), 10 Stockwerke tiefer fühle ich mich ins 18. Jahrhundert zurück versetzt (jedenfalls stelle ich mir vor, dass man früher in unseren Städten ähnlich gelebt hat). Nur etwas preußischer und natürlich ohne Handy, Flachbildschirm und Moped.
Apropos Moped: die Gasse - oder sollte ich besser Straße sagen, sie ist sogar bei Google maps zu sehen - erlaubt natürlich Gegenverkehr. Die Mopeds und Roller (ja Piaggio gibt es hier auch) rauschen mit abenteuerlicher Geschwindigkeit an den, natürlich auf den Geh- oder Fahrweg reichenden Auslagen vorbei. Manchmal wird es eng, besonders wenn sich zwei begegnen und ein dicker deutscher Fußgänger im Wege steht. Aber passiert ist mir noch nichts (Beate: der folgende Absatz ist nicht für dich). Vorhin war ich zum ersten Mal leicht schockiert. Ein freundlicher Lieferwagenfahrer - der sowieso nicht weiter fahren konnte und praktisch an der Bordsteinkannte stand, ließ mich weiter über die Straße ans rettende andere Ufer gehen. Da flitzen plötzlich zwei Mopeds hinter dem Wagen, aber vor mir her, wahrscheinlich über den Bürgersteig. Aus solchen Situationen lernt man. Hier fährt man nicht nur auf Sicht, man sollte auch nur so gehen. Regeln sind sekundär oder nicht vorhanden.

Ich habe den Weg heute Abend nicht gemacht, um noch mal das Großraumbüro zu besuchen. Der Hunger hat mich getrieben (vielleicht etwas zu dramatisch ausgedrückt - Wer mich kennt, weiß, dass ich innerhalb einer Woche gar nicht verhungern kann). Ich gestehe: ich bin zielstrebig bei Kentucky Fried Chicken gelandet :(  Der Grund ist einfach: an die Garküchen wage ich mich, auch wegen der offenherzigen Auslagen der Fleischer, nicht ran, die ganz wenigen Resturants haben aber nur vietnamnesische Karten. Soweit, einfach mit dem Finger auf ein Gericht zu zeigen, bin ich noch nicht. Eine Alternative ganz in der Nähe habe ich schon ausgemacht. Da sagt schon der Name des Restaurants, was man erwarten kann: "Lobster". Aber wer will schon jeden Tag Hummer essen?

Dort haben die Preise sicher auch europäischen Standard. Dazu noch ein Beispiel.  Direkt neben KFC gibt passenderweise einen Fitnessclub. 300 € für 3 Monate, da lob ich mir doch mein Pankower SPOK. Die parkenden Autos (Cayenne, 5-er BMW, Daimler) hätten mir das Preisniveau auch vorher verraten können. Und eines ist sicher: aus der räumlichen Nähe kann man nicht auf Gemeinsamkeiten des Kundenstamms bei KFC und Fitnessclub schließen.

Über den Unibetrieb berichte ich später. Nur so viel: man fühlt sich wie in der Schule. Hörsäle mit mehr als 30 Plätzen gibt es nicht, und auch sonst...














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Sonntag, 7. September 2014

Am Frühstück....

... scheiden sich die Geister. Samstag war ich zur Ergänzung meinerErstausstattung bei Lotte, mehr KaDeWe als Karstadt. Im riesigen Supermarkt im Basement gibt es alles Essbare und noch mehr: Kaffeetassen, Bratpfannen, Bademäntel, im Wesentlichen aber doch Lebensmittel. Da es im Appartement zwar einen täglichen Reinigungsservice aber kein Frühstücksbuffet gibt, sucht der geborene Mitteleuropäer zunächst Brot, Butter, Marmelade. Butter: kein Problem, den kleinen Vorrat an aus Paris eingeflogener Butter entdeckt man nach längerem Suchen im Regal mit Milchprodukten. Das Viertel ist etwas teurer als bei uns. Recht so - wer  aus Paris importierte Butter kauft, gehört bestraft. Die Hoffnung ruhte also auf Marmelade, schließlich gibt es hier Früchte genug. Drei Verkäuferinnen, davon zwei des Englischen leidlich  mächtig, schütteln verständnislos den Kopf. Nie gehört. Ich wollte die Suche schon aufgeben, da fällt mein Blick auf "Bonne Marman - Strawberry", also genau der Brotaufstrich, den man in besseren Lebensmittelabteilungen auch bei uns kennt. 3,30 € - soviel habe ich selten für Marmelade ausgegeben. Dann die Überraschung. In einer Ecke drängeln sich Dutzende um eine Theke. Alle paar Minuten kommt eine Hilfskraft und schüttet eine Ladung frisch gebackener ... Baguettes in die Auslage, die innerhalb kürzester Zeit leer gekauft ist. Also heißt es auch für mich anstehen und nach nicht zu langer Zeit halte ich ein knuspriges, heißes Baguette in der Hand und beiße erstmal herzhaft rein, ganz wie im Juni während unseres Paris-Trips in der Boulangerie um die Ecke . Köstlich! Eine der (vielen) angenehmen Hinterlassenschaften der französischen Kolonialzeit.

Man sieht, ich bin angekommen, zumindest mit dem Koffer. Völlig problemlos übrigens. Der Flug über Moskau weiter mit Vietnam Airways war sehr angenehm auch weil das Flugzeug halb leer war. Am Flughafen gab es eine SIMkarte und ein Taxi zum Standardpreis (13 € für 35 km) ohne Abzockeversuch. Das Appartement könnte kaum besser sein, wenn man sich an die Eigenheiten der Kücheneinrichtung gewöhnt hat. Es gibt ein großes Fleischermesser, dafür keine Essbestecke (aber chop sticks jede Menge) und vor allen Dingen keinen Backofen, dafür einen elektrischen Geschirrtrockner - richtig, kein Geschirrspüler sondern das automatisierte Geschirrhandtuch. Kein Wunder, dass ich beim morgendlichen Einkauf keine Geschirrtücher gefunden habe.

Den Balkon - grüner Rasen, sogar für Golfübungsschwünge geeignet, wenn man nicht befürchten müsste, den einen oder anderen Nachbarn zu treffen - also den Balkon werde ich eher selten benutzen. An die Hitze muss ich mich nämlich erst wieder gewöhnen. Mit Schrecken habe ich gelesen, dass die Temperatur heute nur bei 33° liegt, nächste Woche sollen es bis zu 37° werden, manche sprechen da schon von leichtem Fieber.

Die Umgebung des Appartementhauses ist typisch für das nichttouristische Hanoi, eine unglaublicher Unterschied zum Leben der Reichen, siehe Lotte-Kaufhaus. Dem Gedränge nach zu urteilen sind die Preise der Lebensmittel auch für die Mittelschicht erschwinglich, ganz im Gegensatz zur Parfümerieabteilung, deren Preise locker Weltniveau erreichen.



Montag geht es dann los, Lehrveranstaltungen Dienstag und Donnerstag, mit dem Uni-eigenen Bus zum 7:30 nach Hoa Lac, weit vor den Toren der Stadt. Ich bin gespannt.