Freitag, 10. Oktober 2014

Draußen vor dem Tor...




... befindet sich die Uni. (Ob es sich wirklich um eine Universität handelt sei  dahin gestellt. In jedem Fall gehört auch eine Highschool dazu). Jeden Morgen werden die Teacher - dazu gehöre ich an zwei Tagen in der Woche auch - mit einem sehr komfortablen und vor allen Dingen klimatisierten Bus hin und her kutschiert. Leider ist schon um Punkt 7:30 Abmarsch. Da erreicht der Verkehr gerade einen ersten Höhepunkt, aber ein Bus bahnt sich leichter den Weg als ein Fahrrad, es sei denn er ist  mal wieder im Gewühl eingeklemmt - wie auf dem kleinen Video, das die erste Kreuzung der Strecke nach Hoa Lac zeigt. So heißt der Standort der Bildungseinrichtung. Die Fahrt führt auf einer 6-spurigen Autobahn 30 km nach Westen, und man glaubt es kaum: mit mehr als mäßigem Verkehr. Alle Zweiräder sind auf eine parallel verlaufende Landstraße verbannt. Die Autobahn ist bestens gepflegt, zumindest der etwa 15 m breite Grünstreifen mit blühenden Sträuchern im Abstand von 5 m bepflanzt. Da werden weder Kosten noch Mühen gescheut, das Grün in tadellosem Zustand zu halten, die Büsche gleichmäßig kugelig zu schneiden, die Grünfläche sorgfältig zu mähen und in Handarbeit vom Unkraut zu befreien. Die Kosten halten sich wohl in Grenzen, denn die vielen Frauen, die täglich auf dem Mittelstreifen unterwegs sind, sehen nicht so aus, als gehörten sie zu den Besserverdienern. Ein paar Männer gibt es übrigens auch, die dürfen die (Motor-) Sense schwingen.
Nach 40 Minuten rollt der Bus dann auf das weitläufige Gelände der Uni, das umgeben ist von grünen Wiesen und kleinen Teichen. Fast eine Idylle. Bei genauem Hinsehen fällt einem allerdings auf, dass die sozialistische Planwirtschaft doch noch gelegentlich zuschlägt. Die eigentlich Zufahrtsstraße ist breit und auch für die  Fußgänger sehr komfortabel. Der Bürgersteig ist aufwendig gepflastert, nur schade, dass niemand ihn benutzt. Aber das ist auch besser so. Erst vor ein paar Tagen fiel mir auf, dass es beim Bau offenbar einen Mangel an Gullideckeln gab. Jedenfalls gähnt alle 20m auf dem Fußweg ein tiefes Loch. Ob schon Studenten und Studentinnen, etwa beim abendlichen romantischen Spaziergang vor den Toren des Campus, verschwunden sind, entzieht sich meiner Kenntnis.
Zurück zum Campus: der kann sich sehen lassen. Die meisten Gebäude sind zwar Wohnheime, aber auch die sind wie das Hauptgebäude wirklich schön gestaltet. Daneben gibt es jede Menge Gelegenheit zum Sport. Was sollen 6000 Studenten auch sonst mitten in der Prärie machen? In den nächsten Jahren werden weitere Unis und Technologieunternehmen hierher ziehen (einige große Internetfirmen sind jetzt schon da), aber derzeit sieht es mit dem Freitzeitvergnügen eher mau aus. Dass dafür zum Ausgleich intensiv studiert wird, kann ich nicht bestätigen. Dabei nehme ich die Teilnehmer eines Seminars aus, die sich kenntnisreich und mit großem Engagement mit forschungsnahen Themen beschäftigen. Aber mühsam ist es dennoch, denn das englisch sprechen fällt den meisten extrem schwer. Noch schwerer wird es, wenn ein Großteil der Studenten auch sonst etwas limitiert ist, wie das bei meiner Vorlesung der Fall zu sein scheint. So recht weiß man nie: liegt es an der Sprache, dem begrenzten Horizont der Studenten oder der Qualität des Dozenten? Da sich alles in Schulklassengröße abspielt, wäre ein interaktives Lernen ja nicht so schlecht. Aber was macht man, wenn  - aus welchen Gründen auch immer - nur von ganz wenigen eine Reaktion kommt? Es gebe Schüler erfuhr ich jüngst, die trotz 7 Jahre Englischunterrichts in der Schule praktisch kein Wort sprechen könnten. Das Sprachproblem habe ich gründlich unterschätzt.
Der Umgang mit den Studis scheint alle Teacher zu ermüden. Es gibt nämlich     neben dem Lehrerzimmer einen Ruheraum mit weichen Bänken, auf denen man sich hemmungslos dem Powernap hingibt. Mittlerweile habe ich aber gemerkt, dass der Mittagsschlaf in Vietnam auch bei den Anderen eine Institution ist. Im Labor wird nach dem Mittagessen für eine halbe Stunde das Licht gelöscht und überall wird geschlafen, notfalls mit dem Kopf auf dem Minischreibtisch. Der beste Platz ist die Couchgarnitur für Besucher.

Aber zurück zum Campus in Hoa Lac:
Den Grund für das große Gefälle zwischen den Hörern (Hörerinnen habe ich nicht!) der beiden Veranstaltungen habe ich mittlerweile herausgefunden: die einen - Studiengang Computer Science - werden handverlesen, die anderen - Studiengang Softwaretechnik - erfüllen da Mindestkriterium: sie können die Studiengebühren zahlen. Sonst würde die Uni bei etwa 400 zu bezahlenden "Teachern" - die genaue Zahl konnte mir niemand nennen - wohl auch kaum  Gewinn machen.   Mal ganz im Ernst: Bildung ist hier in Vietnam ein lukrativer Markt.  Das wurde mir erst jüngst von einer Englischlehrerin (ja, gibt es hier auch) bestätigt. In den staatlichen Universitäten seinen die Studiengebühren zwar erheblich geringer, aber gezahlt werden müsse überall. Was dazu wohl Onkel Ho sagen würde....
Das erinnert doch stark an China. Universitäten gibt es hier wie Sand am Meer. Das hat aber weniger damit zu tun, dass sie gewinnträchtige Investitionen wären, sondern damit, dass praktisch jeder Fachbereich eine eigenständige Universität ist. Und wie schön: sie scheinen sich auch hier zur  Keimzelle gesellschaftlichen Wandels zu entwickeln. Beim Mittagessen auf der Terrasse des FPT-Gebäudes (mit wunderschöner Aussicht) erzählte mir jemand, seine Uni habe eben einen neuen Präsidenten gewählt, der kein Parteigenosse ist - bisher das allerwichtigste Qualifikationskriterium.


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