Donnerstag, 27. November 2014

Jedes Land...

.... hat für bestimmte Dinge keine Wörter, z.B. gibt es in Indien dem Anschein nach kein Wort für "Müllabfuhr", in  Vietnam hat man das Wort "Falschfahrer" nie gehört. Es gibt einfach keine. Dabei irritiert es mächtig, wenn auf der Autobahn - für Zweiräder gesperrt - ein Moped auf der eigenen Fahrbahn entgegen kommt. Vielleicht wird ja in ferner Zukunft das deutsche Wort, das man häufig im Verkehrsfunk hört,  die vietnamesische Sprache bereichern, wie etwa in vielen Ländern das Wort "Kindergarten", da macht Vietnam keine Ausnahme.
Eigentlich wollte ich aber vom Müllabfuhrsystem erzählen. Das funktioniert perfekt. Man wirft den Müll einfach an den Straßenrand, aber im Gegensatz zu Indien sorgfältig in einer Plastiktüte verstaut. Die zweite Phase der Müllentsorgung lässt nicht lange auf sich warten: Ein Müllwerker, meistens sind es -innen,        kommt mit einem zweirädrigen Handwagen daher und sammelt den eingetüteten Abfall. An unzähligen Sammelstellen in der Stadt werden die Karren geleert - Phase 3. Dazu rückt ein motorisierter Müllwagen an. Das Ganze stinkt manchmal beträchtlich, aber es entstehen selten größere Müllberge.  Wie eigentlich überall wird auch sonntags gearbeitet, offenbar mit gebremster Kraft, denn hier ruht sich gerade die Handwagenbrigade von den Strapazen der Woche aus. Das System hat diverse Vorteile: Arbeitsbeschaffung (das meine ich ganz ernst. Neben Müll sammeln gibt es für die Ärmsten eigentlich nur noch den Job der fliegenden Händlerin), und größtmögliche Flexibilität: Der Müll wird noch  im kleinsten Winkel gesammelt, in dem jeder motorisierte Müllwagen stecken bliebe.


  Mit der Mülltrennung ist es allerdings - bis auf die schon früher erwähnten, gelegentlich zu sehenden grünen und gelben Doppelpapierkörbe  - nicht so weit her. Aber das hat ja auch bei den unbestrittenen Weltmeistern im Müll trennen etwas länger gedauert.  Ein wirkliches Problem sind allerdings die Plastiktüten. Alles, aber auch alles wird in hauchdünne Plastikbeutel verpackt. Da lobe ich mir die Inder (in Himachel-Pradesh): das strikte Verbot von Plastiktüten hat ein neues Gewerbe mit vielen Arbeitsplätzen entstehen lassen: die Papiertütenfalter. Leider sind die Plastiktüten in Vietnam für Phase 1 der Müllentsorgung unentbehrlich. Also verkneife ich mir den Verbesserungsvorschlag.













Freitag, 21. November 2014

Viele Studenten....


... sind besser als ich dachte. Es gibt hier wirklich gute Studenten, auch im internationalen Vergleich. Leider waren meine eher die negative Auslese - kein Wunder: Viele waren Wiederholer, und die sind nach allen Statistiken wirklich schlecht (in Berlin schaffen - nach meiner eignen Statistik - 10 % die Wiederholungsprüfung. Hier ist das sicher nicht anders). Aber ich wollte über die Besten sprechen. Von meinem Seminar habe ich kurz berichtet. Diejenigen, die durchgehalten haben, waren nicht nur motiviert, es hat auch (meist) Spaß gemacht, mit ihnen zu arbeiten. Auch einige Studenten aus der Vorlesung haben zum Schluss ernsthaft gearbeitet. Sie werden die Prüfung wohl schaffen. Übrigens eine Multiple Choice-Prüfung, 50 Fragen mit je vier möglichen Antworten. Einige haben den Hauch von "Wer wird Millionär", zweite Runde, für andere muss man was tun, z.B. rechnen. (Ich beschwere mich nicht: Auch die "Günther-Jauch-Fragen" stammen von mir, angelehnt an die Prüfung im letzten Jahr). Alles läuft über den Rechner. Das Ergebnis steht nach Beantwortung der   letzten Frage fest. Der harte Kern der Studenten hat mich heute in die Cafeteria eingeladen. Man hört es gern: sie hätten sogar etwas gelernt, nicht nur Fachliches. Aber unterm Strich habe ich viel zu viel vorausgesetzt.


Ich wollte doch über die exzellenten Studenten sprechen. Das erste Erlebnis hatte ich vorletzte Woche: Endausscheidung des Roboterwettbewerbs, bei dessen Eröffnung ich im Juni dabei war. Am Tag vor dem Wettbewerb wurde ich noch überredet, in der Jury mitzuwirken, was den Vorteil hatte, mitten im Geschehen zu sitzen. Und das hatte es in sich. Ort: Sporthalle mit großen Tribünen, die Fan-Gruppen der vier Teams von verschiedenen Universitäten sorgfältig voneinander getrennt. Und dann ging es los.. mit dem Rahmenprogramm: Cheer Leader Gruppen, Vietnamnesische Pop-Sänger, landesweit bekannte Tanzgruppen (nein, keine klassischen Tänze), Anfeuerung durch die Fan-Gruppen. Mehr geht auch bei Borussia Dortmund - na ja, vielleicht beim SC Paderborn  - nicht. Der eigentliche Wettbewerb bestand aus drei Teilen: Tanzen eines Roboters nach Musik und mit künstlerisch zu gestaltendem Hintergrund, Fragen  aus ca. 10 Wissensgebieten beantworten, auch solche, die mündlich und spontan über das iPhone eingegeben wurden. Als dritte Aufgabe waren autonome Haushaltshilfen zu entwickeln, die Speisen servieren sollten. Ich will jetzt nicht lange über die Schwierigkeit der Aufgaben sprechen - sie waren schwierig. Schon weil insgesamt nur 5 Monate zur Verfügung standen und die meisten Studenten im dritten oder vierten Semester sind. Die Haushaltsroboter, besser Kellner, wurden aus diversen Xbox-Bestandteilen, ein paar Elektromotoren und viel Software zusammengesetzt. In diesem Wettbewerb habe ich zum ersten mal den Klassenunterschied zwischen verschiedenen Studentengruppen bemerkt. Die Jungs - leider keine Mädchen dabei - könnten sicher problemlos an bundesdeutschen Universitäten bestehen - wenn nur die Sprachbarriere nicht wäre. Auch Mr. Bingh, einer der Gründer von FPT und der starke Mann im Konzern, war dabei (und begrüßte mich in fließendem Deutsch. Er war 2 Jahre an einem Max Planck Institut in Deutschland).
Zum Schluss wurde die Jury dann noch interviewt - zu bewundern in YouTube unter https://www.youtube.com/watch?v=XCHdNWGu9uA  (Bingh ist der erste Interviewte). Und mein Vietnamesisch lässt doch noch zu wünschen übrig. Den Schluss des Wettbewerbs findet man übrigens auch bei youTube: https://www.youtube.com/watch?v=H7dwYfqhLckhttps://www.youtube.com/watch?v=H7dwYfqhLck . And the winner is: FU (heißt FPT University).

Vollends baff war ich Anfang der Woche: einer der Mitarbeiter (oder noch Student?) im Labor trug das T-Shirt eines bekannten, sehr schweren internationalen Programmierwettbewerbs, der von der amerikanischen Computer Gesellschaft und IBM seit vielen Jahren durchgeführt wird. Kurze Nachfrage: richtig, die FPT-University war einer der diesjährigen Finalisten, der sich in diversen regionalen Ausscheidungen durchgesetzt hat. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass es  aus Deutschland nur die Uni Saarbrücken (mit einer bekannt guten Informatik) geschafft hat. Und im Ergebnis - guter Mittelplatz -  lag FPT-U (oder schlicht FU, bekannte Abkürzung, nicht wahr?) noch vor Saarbrücken.

Das heißt: die Spannweite zwischen den wirklich guten Studenten und den sehr schwachen ist noch deutlich größer als bei uns. Mir wurde das mit der Aufnahmepraxis erklärt. Wirklich gute Schüler erhalten ein Stipendium. Alle anderen brauchen in erster Linie gut betuchte Eltern.

Zum Schluss noch ein Blick auf das neue Hauptgebäude der FPT-University, eben teilweise eröffnet, nahezu im Plan. Das macht den Campus wirklich attraktiv. Allerdings nur für den Architekturliebhaber. Die Studenten klagen darüber, dass sie in der Wildnis, in der die Gebäude heute noch stehen, einfach nichts unternehmen können. Abends wird am Computer gespielt. Schließlich könne man nicht den ganzen Tag lernen. Wohl wahr.

Samstag, 15. November 2014

Nur noch ...







... sechs Wochen bleiben mir in Vietnam. Da wird es Zeit mal wieder über die kleinen Erlebnisse zu berichten, die ein Aufenthalt in der Ferne so mit sich bringt. Eigentlich bin ich längst im Alltag angekommen und das meiste erscheint weniger spektakulär als zu Beginn. Besonders der Verkehr. Da schwimme ich  mit meinem Klappfahrrad im Strom der Motorroller und -räder. Das macht bei gutem Wetter sogar Spaß. Allerdings sehe ich jetzt doch öfter Unfälle. Neulich im Taxi: neben uns ein Moto-Bike, die Fahrerin mit Handy am Ohr. Plötzlich krachte es kurz, kein Grund zur Panik. Mit einem tiefen Blick in den Rückspiegel schätzte mein Fahrer die Lage als harmlos ein: Außer leichtem Blechschaden nichts passiert. Die Moped-Fahrerin stand schon wieder. Also ging es weiter ohne die Fahrt auch nur zu verlangsamen.

Auch wenn vieles längst Routine ist:  Manches irritiert und fasziniert  immer wieder. Dazu gehören die Eigentümlichkeiten der Architektur. Gemeint sind nicht die großen, gut bewachten Appartementhäuser, deren Miete sich nur wenige leisten können, also Leerstand und Immobilienblase auch hier. Auch nicht die schönen Kolonialzeitvillen - wie hier die frühere Französische Botschaft, jetzt Bibliothek. Ich meine die kleinen und mittleren mehrstöckigen Wohnhäuser, bei denen man Angst haben kann, dass sie den nächsten Sturm nicht überstehen. Das sind die Einraum-breiten-Häuser, vier, fünf Stockwerke hohe und kaum fünf Meter breite Bauten. In der Stadt ist die Bauweise nicht ungewöhnlich - man zahlte früher nach der Breite der Fassade bemessene Steuern, auch in Deutschland.  Mich irritieren die allein stehenden, raumbreiten, aber zwanzig und mehr Meter tiefen Wohnhäuser. Mit den Grundstückspreisen kann es kaum zu tun haben, denn die berechnen sich bekanntlich nach der Fläche: Breite X Tiefe.

Am Charakter ihrer Häuser sollst du sie erkennen, das könnte man auch von den sakralen Gebäuden behaupten. Nein, Moscheen mit spitzen Minaretten und einem lautstarken Muezzin gibt es hier nicht. Der Kontrast zwischen den (wenigen) Kirchen und den buddhistischen Tempeln ist allerdings bemerkenswert. Die Ortschaft, an der ich auf den Fahrten zum Hoa Lac-Campus vorbei komme, ist sicher nicht das Zentrum des Christentums in Vietnam (immerhin knapp 8 % der Bevölkerung, fast so viel wie in Berlin). Der Kirchturm könnte das aber nahe legen. Dagegen ist der Tempel in der Nähe meines Appartements in eine wunderschöne Grünanlage mit kleinen Teich und den landestypischen Bonsais eingebettet. Verbundenheit mit der Natur ist das Motto, nicht nur im Buddhismus, sondern naturgemäß in den weit verbreiteten naturnahen, oft lokalen vietnamnesischen Religionen.

Jüngst habe ich einen Stadtspaziergang mit den HanoiKids gemacht. Das ist eine Vereinigung, die kostenlos individuelle Führungen durch Jugendliche in Hanoi veranstaltet, die das zum Sprachtraining nutzen. Eine wirklich liebenswerte Einrichtung, die man als Tourist nutzen sollte ( http://hanoikids.org/). Dank meiner Führerin konnte ich auch das Geheimnis der Opiumpfeifen lösen, die man hier häufig sieht. Von wegen Opium, es sind ordinäre Wasserpfeifen, die an jedem Teestand verliehen werden. Man steckt eine Prise Tabak in den kleinen Trichter, nimmt zwei, drei Züge und das war's dann auch schon mit dem Vergnügen. Mittags sind wir in einem Restaurant gelandet, in das ich mich nicht allein getraut hätte - schon weil ich die Karte nicht lesen kann. Keine Touristen, nur Einheimische auf den ortsüblichen Kindergartenhockern, fantastische Speisen. Ich habe kaum irgendwo besser gegessen als hier. Allerdings beschlichen mich doch ungute Gefühle, als ich später in unmittelbarer Nähe einen lokalen Markt mit gebratenen Hunden, traurigen gekochten Hühnern und dicken lebenden Kröten gesehen habe. 

Das Kontrastprogramm habe ich letzte Woche erlebt. Wir waren nach einem Workshop in einem edlen Lokal mit Buffet, in dem es so gut wie alles aus Ost und West gab: Austern, Hummer, Garnelen, Fleisch, kein Fleisch, das tollste aus der vietnamnesischen Küche und ein Traum von Nachtischbüffet. Das alles zum Pauschalpreis von 350000 d - etwa 13 Euro. "Indochine" heißt das Lokal - am Vortag hatte David Beckham dort gespeist, wie wurde uns vertraulich erzählt wurde. Ja, Fußballspieler und Mannschaften wie Manchester United und Borussia Dortmund stehen hier hoch im Kurs. 

In der Kantine im 15. Stock des FPT-Gebäudes geht es etwas weniger   vornehm zu. Die Auswahl an Speisen ist aber auch hier enorm, besser als in den meisten Kantinen, die ich kenne. Und das alles für ca. 1,50 €. Kartoffeln gibt es hier häufig, sie gehören aber eindeutig zum Gemüse. Die Portion Reis ist nicht nur obligatorisch sondern meist auch gewaltig. Nicht weit außerhalb der Stadt wird er angebaut.

Im Labor gibt es häufig was zu feiern, Ausstand, Einstand, Frauentag (Vietnam hat neben dem weltweiten einen eigenen), Geburtstag usw. Dann werden meist vietnamnesische Spezialitäten gereicht. Statt  Kartoffelchips etwa getrockneter cuttle fish, auch Seesterne,  undefinierbare Obst- und Gemüsesorten, vietnamnesische Süßigkeiten (meist sehr lecker!).  Ich muss befürchten, dass aus der geplanten Verbesserung des Body-Maß-Index nichts wird.